04.04.2024 – Phänologischer Frühlingsrundgang im Botanischen Garten Leipzig

Zum Abschluss unserer Serie virtueller phänologischer Rundgänge durch die Botanischen Gärten unserer Projektstädte schreibt HiWi Sebastian Schmidt über den Botanischen Garten Leipzig. Die Frühlingsblüher strahlen jetzt überall im Garten ihre Farben aus und viele Pflanzen entwickeln jetzt ihr Blätter. In den Laubwäldern der Geographischen Abteilung, im Alpinum und in der Systematischen Abteilung erwarten Sie viele bunte Eindrücke.

Wie Sie bereits am 7. Februar an dieser Stelle lesen konnten, werden die phänologischen Jahreszeiten anhand des Eintretens charakteristischer Vegetationsstadien von bestimmten Zeigerarten in Deutschland durch den Deutschen Wetterdienst (DWD) erfasst und in sogenannten phänologischen Uhren dargestellt.

Blüte und Blattaustrieb der Forsythia x intermedia im Botanischen Garten Leipzig.

In der phänologischen Uhr für Sachsen im aktuellen Jahr 2024 ist ablesbar, dass der Winter bereits ganz am Anfang des Februars mit dem Eintreten der Haselblüte (Corylus avellana) beendet wurde, was ca. 2 Wochen früher ist als im vieljährigen Mittel. Der Vorfrühling endete bereits 3 Wochen früher als durchschnittlich, Anfang März, durch die Blüte der Forsythie (Forsythia suspensa bzw. der als Zierstrauch weitverbreitete, leider pollen- und nektarlose Hybrid Forsythia x intermedia). 2024 war in Sachsen und somit auch in Leipzig also schon jetzt ein überdurchschnittlich warmes Jahr, was sich in den letzten Wochen auch in der Phänologie des Botanischen Gartens zeigte.

Beginnen möchte ich den Rundgang in den Laubwäldern Europas der geographischen Abteilung des Botanischen Gartens. Hier finden sich auch viele Arten, die im Leipziger Auwald beheimatet sind, einem besonders artenreichen Biotop, das durch regelmäßige Überflutungsereignisse gekennzeichnet ist und eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume bietet.

Bärlauch (Allium ursinum): Teppich im gerade neu entstehenden Auwald-Bereich des Gartens.

Hohler Lerchensporn (Corydalis cava).

Schon seit mehreren Wochen sind weite Teile des Leipziger Auwaldbodens mit Bärlauch (Allium ursinum) bedeckt, der wegen seiner häufigen Verwendung in der deutschen Frühjahrsküche auch als Wilder Knoblauch bezeichnet wird. Dieser an Feuchtwälder angepasste Zwiebel-Geophyt ist erst von April bis Mai durch seine Blüte von ähnlichen Arten gut zu unterscheiden. Beim Bärlauch-Sammeln ist Vorsicht geboten. Prüfen Sie die Blätter auf den charakteristischen Geruch des Bärlauchs durch ein kurzes Zerreiben zwischen den Fingern, da eine Verwechslung mit dem giftigen Maiglöckchen (Convallaria majalis) sowie der hochgiftigen Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) möglich ist (BfR 2023).

Der Hohle Lerchensporn (Corydalis cava), ein wärmeliebender knollenartiger Geophyt, ist ebenfalls an das Leben im Auwald angepasst und blüht bereits seit März, also ein sogenannter Frühblüher. In unmittelbarer Nachbarschaft finden sich auch das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides) und das sehr ansehnliche Buschwindröschen (Anemone nemorosa), beide im Frühjahr aus Rhizomen austreibend und mit ihrem charakteristischen Scheinquirl aus drei sitzenden Hochblättern unterhalb der Blüte, der dem Knospenschutz und der Photosynthese dient.

Oben: Das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides). Unten: Das Buschwindröschen (Anemone nemorosa).

Das Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) ist ein besonderer Waldbewohner. Es treibt wie die beiden Windröschen aus einem Rhizom aus und kann in ozeanischem Klima jedoch auch wintergrün sein. Es ist strikt zweihäusig, sodass man weibliche und männliche Pflanzen anhand entsprechender Blütenmerkmale (weiblich: nur Fruchtknoten, männlich: nur Staubblätter) unterscheiden kann. Auch färbt es sich beim Trocknen (z.B. im Herbarium) metallisch-bläulich-schwarz und wirkt aufgrund von in der ganzen Pflanze enthaltenen Saponinen abführend und harntreibend (altdeutsch bingeln = pinkeln).

Männliches Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) mit erkennbaren Staubblättern.

Weibliches Exemplar mit Fruchtknoten.

Eine wahre Rarität ist die Schuppenwurz (Lathraea squamaria), ein buchstäblicher Vollschmarotzer, der mangels Chlorophyll selbst keine Photosynthese mehr betreiben kann und deshalb auf den Xylemsaft aus Baumwurzeln angewiesen ist. Der Name Schuppenwurz leitet sich von den stärkereichen, fleischigen Schuppen ab, die an ihrem parasitierenden Rhizom ansetzen und als Nährstoffspeicher dienen.

Sehr unscheinbar und unter Laub versteckt sind rechts von einem Ahorn (Acer) die Blütenstände der Schuppenwurz (Lathraea squamaria) erkennbar, die wahrscheinlich an dessen Wurzeln parasitiert.

Bei näherer Betrachtung sind unterhalb der traubigen Blütenstände die chlorophyllfreien Sprossachsen der Schuppenwurz erkennbar.

Die Hainbuche (Carpinus betulus) ist gewöhnlich die erste Baumart, die im Leipziger Auwald ihre Blätter entfaltet.

Im Alpinum zeigen sich auch schon seit längerem die ersten Blüten. Die Schneeheide (Erica carnea), eine aus dem Mittelmeerraum eingewanderte Alpenpflanze, ist hier einer der prominentesten Frühblüher. Sie trug schon seit dem letzten Herbst ihre Knospen und blüht bereits seit Anfang des Jahres.

Oben: Ein Ausschnitt des Alpinums mit der im Zentrum sehr auffälligen Schneeheide (Erica carnea). Linksunten: Die Chinesische Küchenschelle (Pulsatilla chinensis). Rechts unten: Die Reifenrock-Narzisse (Narcissus bulbocodium).

Die Reifenrock-Narzisse (Narcissus bulbocodium) ist auf den ersten Blick erkennbar eine Verwandte unserer Osterglocke, jedoch heimisch in Südeuropa und Nordafrika. Sie unterscheidet sich von unserer einheimischen, in der Wildnis bedrohten Art vor allem durch ihre sechs sehr viel kleineren, äußeren Blütenhüllblätter, die die inneren, röhrenförmig verwachsenen Hüllblätter umgeben. Ihr Name Narcissus leitet sich übrigens nicht von ihrer Schönheit, sondern von ihrem betörenden Geruch ab (gr. narkao = betäuben).

Die Chinesische Küchenschelle (Pulsatilla chinensis) ist eine nahe Verwandte unserer heimischen Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris). Sie ist ein sogenannter Hemikryptophyt, d.h. sie zieht sich über den Winter nicht vollständig in ihr Rhizom zurück, sondern überdauert die kalten Monate als Blattrosette. Frisch sind beide Arten hochgiftig, so dass man Kinder und Hunde von ihnen fernhalten sollte. Sie zeigen bereits seit einigen Tagen ihre prachtvollen, im halbgeöffneten Zustand glockenförmigen Blüten (daher Küchenschelle) und besitzen wie die beiden Windröschen-Arten ebenfalls einen Scheinquirl aus drei sitzenden Hochblättern zum Schutz ihrer Knospen.

Die Gewöhnliche Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris). Hier ist deutlich die namensgebende Glockenform der Blüten erkennbar.

Die in Laub- und Bergwäldern Südeuropas bis in die Ukraine beheimatete Hundszahnlilie (Erythronium denis-canis) ist bereits verblüht, fällt jedoch durch die Musterung ihrer Blätter sofort ins Auge.

In der systematischen Abteilung des Gartens findet sich ein schön gewachsenes Exemplar der Kornelkirsche (Cornus mas), einem im Gegensatz zum am Anfang erwähnten Forsythia-Hybriden F. x intermedia sehr nektarreichen und somit insektenfreundlichen Zierbaum, der leider nur noch selten in der Wildnis anzutreffen ist. Sein Holz wurde aufgrund seiner enormen Härte (lat. mas = kräftig, mannhaft) gerne genutzt. Auch seine kirschenähnlichen Früchte eignen sich hervorragend für Marmeladen und, eingelegt in Essig, sogar als Olivenersatz. Sie dienen außerdem als Nahrung für Vögel und Eichhörnchen. Die Blüte, die bereits seit Februar andauert, neigt sich dem Ende zu und der Blattaustrieb folgt anschließend.

Die Kornelkirsche (Cornus mas) vor dem Hauptgebäude ist eine wahre Augenweide. Ihr Blattaustrieb zeigt sich auch im unteren Stammbereich (mittig).

Hier findet sich auch die Japanische Kamelie (Camellia japonica), die bereits seit November den gesamten Winter hindurch blüht und meist im Mai in die Fruchtreifung übergeht.

Die Japanische Kamelie (Camellia japonica). Bei genauerem Hinsehen sind Schäden an den Blättern und Blüten erkennbar, was entweder auf eine Schädigung durch Frost oder die direkte Sonneneinstrahlung hindeutet (rechts). Sie wächst ursprünglich unter dem Blätterdach ostasiatischer Lorbeerwälder und ist daher eher an milde Winter und halbschattige Standorte angepasst.

Das Schildförmige Fußblatt oder Amerikanischer Maiapfel (Podophyllum peltatum), wegen der Form seiner Austriebe auch Entenfuß genannt, treibt momentan aus seinem Rhizom aus. Das Hahnenfußgewächs ist im nördlichen Amerika beheimatet und trägt im Spätsommer optisch der Zitrone ähnliche, essbare Früchte.

Die Mahonie (Berberis aquifolium) ist ein in Nordamerika beheimateter, sehr blütenreicher Zierstrauch, hier gerade in voller Blüte und von einer Hummel besucht (rechts). Bei Berührung der Staubblätter (Stamina) durch ein Insekt springen die Staubbeutel klappig auf und verteilen die enthaltenen Pollen auf dem Insekt, das diese nun weiterträgt. Dieser Mechanismus wird als Seismonastie bezeichnet.

Einer der größten und beeindruckendsten Bäume in vielen botanischen Gärten und sogar Parkanlagen ist der Urwelt-Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides). Er trägt seinen Namen nicht umsonst: Lange Zeit war er nur durch Fossilbelege bekannt, die der Art eine bereits 140 Millionen Jahre zurückreichende Geschichte bescheinigen. Sie galt als ausgestorben und wurde erst 1941 von Botanikern in Bergwäldern Zentralchinas wiederentdeckt. Als einer der wenigen Nadelbaumarten färbt er im Herbst seine feinen, zypressenähnlichen Nadeln goldgelb und wirft sie über den Winter ab. Momentan zeigt er bereits den Blattaustrieb.

Der Urwelt-Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides) mit Blattaustrieb.

Auch das Mammutblatt (Gunnera manicata), durch seine bis zu eineinhalb Meter großen Blätter ein Blickfang in jedem botanischen Garten, ist gerade dabei, seine Blätter auszutreiben. Was wohl viele nicht wissen: Die Stiele des im südlichen  Brasilien beheimateten Gewächses sind geschält essbar. Es wird mangels Frosthärte über Winter mit einer dicken, schützenden Herbstlaubhülle bedeckt, die von einem kleinen Eisenkäfig zusammengehalten wird. Sie wird in den nächsten Tagen entfernt wird, sodass die Blattentfaltung ungehindert erfolgen kann. Und als farbenprächtiger Abschluss darf natürlich die Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangana) nicht fehlen, die in voller Blüte steht und bereits die ersten Hüllblätter abwirft.

Das Mammutblatt (Gunnera manicata) treibt seine Blätter durch den Winterschutz (rechts).

Die Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangana) neigt sich dem Ende der Blüte zu.

 

Text und Fotos: Sebastian Schmidt

Quellen:

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2023): Bärlauch: Verwechslungen führen häufig zu Vergiftungen. URL: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2023/07/baerlauch__verwechslungen_fuehren_haeufig_zu_vergiftungen-310501.html, Zugriff: 29.3.24.

Düll, R. & Kutzelnigg H. (1994): Botanisch-ökologisches Exkursionsbuch. 5. Auflage. Heidelberg/Wiesbaden: Quelle & Meyer Verlag.

Fischer, B.; Mathis, T, & Möhl, A, (Hrsg.) (2006): Erdbeerbaum und Zaubernuss. Pflanzengeschichte aus dem Botanischen Garten Bern. Wien: Haupt Verlag.

Hofmeister, K. (2018): Die Japanische Kamelie. In: Mein Schöner Garten. URL: https://www.mein-schoener-garten.de/pflanzen/kamelie/japanische-kamelie. Zugriff: 3.4.24.

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Das Projekt hat eine Laufzeit von Juli 2021 bis Februar 2024 (verlängert bis Dezember 2024) und wird im Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es gehört zu 15 Projekten, die bis Ende 2024 die Zusammenarbeit von Bürger*innen und Wissenschaftler*innen inhaltlich und methodisch voranbringen und Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen geben sollen.
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