Zum Abschluss unserer Serie virtueller phänologischer Rundgänge durch die Botanischen Gärten unserer Projektstädte schreibt HiWi Sebastian Schmidt über den Botanischen Garten Leipzig. Die Frühlingsblüher strahlen jetzt überall im Garten ihre Farben aus und viele Pflanzen entwickeln jetzt ihr Blätter. In den Laubwäldern der Geographischen Abteilung, im Alpinum und in der Systematischen Abteilung erwarten Sie viele bunte Eindrücke.
Wie Sie bereits am 7. Februar an dieser Stelle lesen konnten, werden die phänologischen Jahreszeiten anhand des Eintretens charakteristischer Vegetationsstadien von bestimmten Zeigerarten in Deutschland durch den Deutschen Wetterdienst (DWD) erfasst und in sogenannten phänologischen Uhren dargestellt.
Blüte und Blattaustrieb der Forsythia x intermedia im Botanischen Garten Leipzig. |
In der phänologischen Uhr für Sachsen im aktuellen Jahr 2024 ist ablesbar, dass der Winter bereits ganz am Anfang des Februars mit dem Eintreten der Haselblüte (Corylus avellana) beendet wurde, was ca. 2 Wochen früher ist als im vieljährigen Mittel. Der Vorfrühling endete bereits 3 Wochen früher als durchschnittlich, Anfang März, durch die Blüte der Forsythie (Forsythia suspensa bzw. der als Zierstrauch weitverbreitete, leider pollen- und nektarlose Hybrid Forsythia x intermedia). 2024 war in Sachsen und somit auch in Leipzig also schon jetzt ein überdurchschnittlich warmes Jahr, was sich in den letzten Wochen auch in der Phänologie des Botanischen Gartens zeigte.
Beginnen möchte ich den Rundgang in den Laubwäldern Europas der geographischen Abteilung des Botanischen Gartens. Hier finden sich auch viele Arten, die im Leipziger Auwald beheimatet sind, einem besonders artenreichen Biotop, das durch regelmäßige Überflutungsereignisse gekennzeichnet ist und eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume bietet.
Bärlauch (Allium ursinum): Teppich im gerade neu entstehenden Auwald-Bereich des Gartens. |
Hohler Lerchensporn (Corydalis cava). |
Schon seit mehreren Wochen sind weite Teile des Leipziger Auwaldbodens mit Bärlauch (Allium ursinum) bedeckt, der wegen seiner häufigen Verwendung in der deutschen Frühjahrsküche auch als Wilder Knoblauch bezeichnet wird. Dieser an Feuchtwälder angepasste Zwiebel-Geophyt ist erst von April bis Mai durch seine Blüte von ähnlichen Arten gut zu unterscheiden. Beim Bärlauch-Sammeln ist Vorsicht geboten. Prüfen Sie die Blätter auf den charakteristischen Geruch des Bärlauchs durch ein kurzes Zerreiben zwischen den Fingern, da eine Verwechslung mit dem giftigen Maiglöckchen (Convallaria majalis) sowie der hochgiftigen Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) möglich ist (BfR 2023).
Der Hohle Lerchensporn (Corydalis cava), ein wärmeliebender knollenartiger Geophyt, ist ebenfalls an das Leben im Auwald angepasst und blüht bereits seit März, also ein sogenannter Frühblüher. In unmittelbarer Nachbarschaft finden sich auch das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides) und das sehr ansehnliche Buschwindröschen (Anemone nemorosa), beide im Frühjahr aus Rhizomen austreibend und mit ihrem charakteristischen Scheinquirl aus drei sitzenden Hochblättern unterhalb der Blüte, der dem Knospenschutz und der Photosynthese dient.
Oben: Das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides). Unten: Das Buschwindröschen (Anemone nemorosa). |
Das Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) ist ein besonderer Waldbewohner. Es treibt wie die beiden Windröschen aus einem Rhizom aus und kann in ozeanischem Klima jedoch auch wintergrün sein. Es ist strikt zweihäusig, sodass man weibliche und männliche Pflanzen anhand entsprechender Blütenmerkmale (weiblich: nur Fruchtknoten, männlich: nur Staubblätter) unterscheiden kann. Auch färbt es sich beim Trocknen (z.B. im Herbarium) metallisch-bläulich-schwarz und wirkt aufgrund von in der ganzen Pflanze enthaltenen Saponinen abführend und harntreibend (altdeutsch bingeln = pinkeln).
Männliches Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) mit erkennbaren Staubblättern. |
Weibliches Exemplar mit Fruchtknoten. |
Eine wahre Rarität ist die Schuppenwurz (Lathraea squamaria), ein buchstäblicher Vollschmarotzer, der mangels Chlorophyll selbst keine Photosynthese mehr betreiben kann und deshalb auf den Xylemsaft aus Baumwurzeln angewiesen ist. Der Name Schuppenwurz leitet sich von den stärkereichen, fleischigen Schuppen ab, die an ihrem parasitierenden Rhizom ansetzen und als Nährstoffspeicher dienen.
Die Hainbuche (Carpinus betulus) ist gewöhnlich die erste Baumart, die im Leipziger Auwald ihre Blätter entfaltet. |
Im Alpinum zeigen sich auch schon seit längerem die ersten Blüten. Die Schneeheide (Erica carnea), eine aus dem Mittelmeerraum eingewanderte Alpenpflanze, ist hier einer der prominentesten Frühblüher. Sie trug schon seit dem letzten Herbst ihre Knospen und blüht bereits seit Anfang des Jahres.
Die Reifenrock-Narzisse (Narcissus bulbocodium) ist auf den ersten Blick erkennbar eine Verwandte unserer Osterglocke, jedoch heimisch in Südeuropa und Nordafrika. Sie unterscheidet sich von unserer einheimischen, in der Wildnis bedrohten Art vor allem durch ihre sechs sehr viel kleineren, äußeren Blütenhüllblätter, die die inneren, röhrenförmig verwachsenen Hüllblätter umgeben. Ihr Name Narcissus leitet sich übrigens nicht von ihrer Schönheit, sondern von ihrem betörenden Geruch ab (gr. narkao = betäuben).
Die Chinesische Küchenschelle (Pulsatilla chinensis) ist eine nahe Verwandte unserer heimischen Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris). Sie ist ein sogenannter Hemikryptophyt, d.h. sie zieht sich über den Winter nicht vollständig in ihr Rhizom zurück, sondern überdauert die kalten Monate als Blattrosette. Frisch sind beide Arten hochgiftig, so dass man Kinder und Hunde von ihnen fernhalten sollte. Sie zeigen bereits seit einigen Tagen ihre prachtvollen, im halbgeöffneten Zustand glockenförmigen Blüten (daher Küchenschelle) und besitzen wie die beiden Windröschen-Arten ebenfalls einen Scheinquirl aus drei sitzenden Hochblättern zum Schutz ihrer Knospen.
In der systematischen Abteilung des Gartens findet sich ein schön gewachsenes Exemplar der Kornelkirsche (Cornus mas), einem im Gegensatz zum am Anfang erwähnten Forsythia-Hybriden F. x intermedia sehr nektarreichen und somit insektenfreundlichen Zierbaum, der leider nur noch selten in der Wildnis anzutreffen ist. Sein Holz wurde aufgrund seiner enormen Härte (lat. mas = kräftig, mannhaft) gerne genutzt. Auch seine kirschenähnlichen Früchte eignen sich hervorragend für Marmeladen und, eingelegt in Essig, sogar als Olivenersatz. Sie dienen außerdem als Nahrung für Vögel und Eichhörnchen. Die Blüte, die bereits seit Februar andauert, neigt sich dem Ende zu und der Blattaustrieb folgt anschließend.
Die Kornelkirsche (Cornus mas) vor dem Hauptgebäude ist eine wahre Augenweide. Ihr Blattaustrieb zeigt sich auch im unteren Stammbereich (mittig). |
Hier findet sich auch die Japanische Kamelie (Camellia japonica), die bereits seit November den gesamten Winter hindurch blüht und meist im Mai in die Fruchtreifung übergeht.
Einer der größten und beeindruckendsten Bäume in vielen botanischen Gärten und sogar Parkanlagen ist der Urwelt-Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides). Er trägt seinen Namen nicht umsonst: Lange Zeit war er nur durch Fossilbelege bekannt, die der Art eine bereits 140 Millionen Jahre zurückreichende Geschichte bescheinigen. Sie galt als ausgestorben und wurde erst 1941 von Botanikern in Bergwäldern Zentralchinas wiederentdeckt. Als einer der wenigen Nadelbaumarten färbt er im Herbst seine feinen, zypressenähnlichen Nadeln goldgelb und wirft sie über den Winter ab. Momentan zeigt er bereits den Blattaustrieb.
Der Urwelt-Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides) mit Blattaustrieb. |
Auch das Mammutblatt (Gunnera manicata), durch seine bis zu eineinhalb Meter großen Blätter ein Blickfang in jedem botanischen Garten, ist gerade dabei, seine Blätter auszutreiben. Was wohl viele nicht wissen: Die Stiele des im südlichen Brasilien beheimateten Gewächses sind geschält essbar. Es wird mangels Frosthärte über Winter mit einer dicken, schützenden Herbstlaubhülle bedeckt, die von einem kleinen Eisenkäfig zusammengehalten wird. Sie wird in den nächsten Tagen entfernt wird, sodass die Blattentfaltung ungehindert erfolgen kann. Und als farbenprächtiger Abschluss darf natürlich die Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangana) nicht fehlen, die in voller Blüte steht und bereits die ersten Hüllblätter abwirft.
Das Mammutblatt (Gunnera manicata) treibt seine Blätter durch den Winterschutz (rechts). |
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Die Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangana) neigt sich dem Ende der Blüte zu. |
Text und Fotos: Sebastian Schmidt
Quellen:
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2023): Bärlauch: Verwechslungen führen häufig zu Vergiftungen. URL: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2023/07/baerlauch__verwechslungen_fuehren_haeufig_zu_vergiftungen-310501.html, Zugriff: 29.3.24.
Düll, R. & Kutzelnigg H. (1994): Botanisch-ökologisches Exkursionsbuch. 5. Auflage. Heidelberg/Wiesbaden: Quelle & Meyer Verlag.
Fischer, B.; Mathis, T, & Möhl, A, (Hrsg.) (2006): Erdbeerbaum und Zaubernuss. Pflanzengeschichte aus dem Botanischen Garten Bern. Wien: Haupt Verlag.
Hofmeister, K. (2018): Die Japanische Kamelie. In: Mein Schöner Garten. URL: https://www.mein-schoener-garten.de/pflanzen/kamelie/japanische-kamelie. Zugriff: 3.4.24.
Am Donnerstag (21.03.24) luden wir zusammen mit dem Präsidium der Freien Universität (FU) sowie dem Blühenden Campus Angehörige der FU ein, um über den aktuellen Stand der Biodiversitätsstrategie zu diskutieren. Nach einem Grußwort der Vizepräsidentin Verena Blechinger-Talcott und einem spannenden Eingangsvortrag von Berlins Naturschutzbeauftragten und Projektleiterin von Pflanze KlimaKultur! Aletta Bonn hat Rebecca Rongstock die aktuelle Skizze der Biodiversitätsstrategie der FU vorgestellt und dazu eingeladen, diese kritisch zu betrachten, zu diskutieren und vorzuschlagen, wie diese noch besser gemacht werden kann.
Die Strategie umfasst derzeit drei Hauptthemenfelder: 1. Bau- und Landschaftsplanung, 2. Grünflächenanlage und -pflege sowie 3. Partizipation, Kooperation und Kommunikation. Diese drei Aspekte wurden in Kleingruppen diskutiert. Dabei wurden Vorschläge erarbeitet, wie die schon genannten Aspekte noch erweitert werden können. Neben diesen drei Themen wurde zudem eruiert, wie die Erarbeitung und Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen in Forschung und Lehre eingebunden werden kann, um die gesamte Universität und die verschiedenen Statusgruppen einzubeziehen. Darüber hinaus wurde an Karten des Campus der FU direkt erarbeitet, wo welche Maßnahmen am besten umgesetzt werden können.
Anschließend an diesen thematischen Diskussionen kamen die ca. 60 Teilnehmer*innen bei einem kleinen Buffet zusammen um den spannenden Nachmittag/ Abend ausklingen zu lassen.
Die Ergebnisse der Diskussionen werden nun analysiert und werden in die Biodiversitätsstrategie der FU einfließen.
Fotos: Susanne Wehr
In der Fortsetzung unserer Serie zur Phänologie in Botanischen Gärten nimmt uns Luise mit auf einen virtuellen Rundgang durch den Botanischen Garten Jena. Hier wird es schon bunt! Unter anderem blühen bereits Hyazinthen, Forsythien, Magnolien und Narzissen. Andere Frühblüher wie Winterlinge und Schneeglöckchen sind bereits verblüht und beginnen mit der Fruchtbildung. Ein Besuch im Alpinum ist auch eine gute Gelegenheit, andere Pflanzen beim Blühen und Austreiben zu beobachten.
Draußen scheint die Sonne, die Vögel zwitschern und alles beginnt zu sprießen und zu blühen. Die beste Zeit, um nach draußen zu gehen und die Natur zu genießen. Gerade der Besuch im Botanischen Garten Jena lohnt sich.
Als erstes fallen einem hier die vielen bereits blühenden Pflanzen ins Auge. So blüht neben den allbekannten Frühblühern wie den Primeln (Primula spec., Primula veris), Veilchen (Viola spec.), Blausternen (Scilla spec.) und Hyazinthen (Hyacinthus spec.) bereits auch die Forsythie (Forsythia spec.).
Von links nach rechts, oben nach unten: Stängellose Schlüsselblume (Primula vulgaris), Echte Schlüsselblume (Primula veris), Duftveilchen (Viola odorata), Blaustern (Scilla spec.), Hyazinthe (Hyacinthus orientalis), Goldglöckchen (Forsythia x intermedia 'Lynwood') |
Frühblüher bringen oft die ersten Farbtupfer in die noch graue Winterlandschaft. Dabei ist interessant zu wissen, dass sich lediglich die wilden Arten der Frühblüher noch per Samenbildung fortpflanzen. Viele der gezüchteten und gekreuzten Varianten vermehren sich lediglich durch die Bildung von Tochterzwiebeln. Stehen die Frühblüher über weitere Flächen, auch mit Abstand verbreitet, deutet dies auf wilde Pflanzen mit Samenbildung hin. Diese Samen werden durch Tiere (Zoochorie) und den Wind (Anemochorie) verbreitet, wodurch größere Abstände zwischen den Individuen erreicht werden können. Die Fruchtbildung bei Frühblühern lässt sich im Botanischen Garten Jena, gerade besonders gut beim Gewöhnlichen Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) und beim Winterling (Eranthis hyemalis) beobachten.1
Gewöhnliches Schneeglöckchen |
Winterling |
Auch ein Rundgang durch das Alpinum lohnt sich. Hier kann bereits der erste Austrieb bei der Anemonen-Schmuckblume (Callianthemum anemonoides) sowie bei der weißen Jochlilie (Zigadenus elegans) beobachtet werden. Ebenso treibt das Zwerg-Seifenkraut (Saponaria pumila) aus, welches eng verwandt mit unserer Projektpflanze, dem Gewöhnlichen Seifenkraut (Saponaria officinalis), ist. Bei diesem lassen sich derzeit ebenfalls die ersten Blattentfaltungen nach frischem Austrieb beobachten.
Von links nach rechts: Anemonen-Schmuckblume (Callianthemum anemonoides), Jochlilie (Zigadenus elegans), Zwerg-Seifenkraut (Saponaria pumila) |
Die ersten Blüten lassen sich auch bei den Pflanzen im Alpinum beobachten. So stehen der Elfenbein-Steinbrech (Saxifraga x apicuata 'Alba') und die Reifrock-Narzisse (Narcissus bulbocoides) bereits in voller Blüte. Ebenso öffnet das bithynische Blaukissen (Aubrieta olympica) bereits seine Blüten. Blaukissen eignen sich besonders gut, um Steingärten Farbe zu verleihen.
Von links nach rechts: Elfenbein-Steinbrech (Saxifraga x apicuata 'Alba'), Reifrock-Narzisse (Narcissus bulbocoides), Bithynisches Blaukissen (Aubrieta olympica) |
Große Variabilität im Knospen- und Blütezeitpunkt lässt sich bei der Magnoliensammlung beobachten. Besonders typisch für Magnolien ist, dass die Blüten endständig an den Zweigen sitzen. Die Knospenbildung und das Erblühen erfolgen meist, bevor Blätter gebildet werden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. So gibt es bei Magnolien auch immergrüne Arten, wie zum Beispiel die großblütige Magnolie (Magnolia grandiflora). Diese hat große grün-glänzende Blätter und bereits kleine angelegte Knospen. Ganz pelzig sehen hingegen die noch geschlossenen Knospen der in Deutschland am weitesten verbreiteten Magnolie, der Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangeana), aus. Diese werden durch zwei Hochblätter umhüllt, welche fein behaart sind. Die Knospen der Apothekermagnolie (Magnolia officinalis var. biloba) entfalten langsam ihre Blätter. Bereits vollständig geöffnete Blüten lassen sich bei der Stern-Magnolie (Magnolia stellata) beobachten.
Von links nach rechts: Großblütige Magnolie (Magnolia grandiflora), Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangeana), Apothekermagnolie (Magnolia officinalis var. biloba), Stern-Magnolie (Magnolia stellata) |
Achtung Verwechslungsgefahr!
Was hier zunächst aussieht wie eine Erdbeere, ist tatsächlich das Kleinblütige Fingerkraut. Eine krautige Art, die zwischen März und Mai ihre Blüten entfaltet und als Frucht kleine Nüsschen bildet. Als Synonym für das Kleinblütige Fingerkraut wird auch Potentilla fragaria verwendet. Fragaria leitet sich hierbei vom Gattungsnamen der Erdbeere ab. Falls Sie also auf den ersten Blick an eine Erdbeere gedacht haben, sind Sie definitiv nicht allein!
Kleinblütiges Fingerkraut (Potentilla fragaria) |
Text und Fotos: Luise Schidlo
Quellen:
1. https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/fruehblueher-verwildern-vermehren-pflegen-100.html, Zugriff: 11.03.2024
Letzten Freitag, 23.02.2024, hat die Firma technopolis, die vom Mittelgeber mit der Betreuung der Selbstevaluation der geförderten Projekte betraut worden ist, erneut zum Jahresworkshop in das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingeladen. Zusammen mit Mitarbeiter*innen und Bürgerwissenschaftler*innen aus allen Projekten dieser Förderrichtlinie, sowie Vertreter*innen des BMBF, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Firma technopolis und der Plattform „Bürger Schaffen Wissen“ haben wir einen spannenden, anregenden und auch freudigen Tag erlebt. Für Pflanze KlimaKultur! waren Birgit Nordt und Hannah Prawitz zusammen mit Johannes Vocks vom NABU als Vertreter der beteiligten Bürger*innen dabei. Aletta Bonn präsentierte hier außerdem das Projekt Flow.
Die geförderten Projekte könnten kaum vielfältiger sein: Von Forschung zu seltenen Krankheiten über das Aufspüren von invasiven Arten mit Hunden bis hin zur Untersuchung der Geschichtsdarstellung in sozialen Medien war alles dabei. Diese mannigfaltige Mischung hat zu vielen angeregten und zielführenden Gesprächen beigetragen. Nachdem Tanja Abendschein-Angerstein (BMBF) den Tag eröffnet hat, stellte Tobias Dudenbostel von technopolis einige Zahlen und Fakten bezüglich der Selbstevaluation der geförderten Projekte und der Auswertung der im Dezember durchgeführten Befragungen vor (Abb. 2). Dabei verglich er auch die Ergebnisse mit denen aus der Befragung der Projekte der ersten Förderrichtlinie. Gerade vor dem Hintergrund der nun erfolgten Evaluation ist ein Blick zurück ganz interessant. Hier finden Sie die Ankündigung der aktuellen Förderrichtlinie aus einer Pressemitteilung des BMBF von 2019 und können nachlesen, was sich das Ministerium damals vorgenommen hat und wo die Schwerpunkte lagen - mit Verweisen zu den von 2016 bis 2020 geförderten Projekten.
Nach einem leckeren vegetarischen Mittagessen gab es viel Zeit, um im Rahmen von kleineren Arbeitsgruppen über eine Reihe spezieller Aspekte von Bürger*innenwissenschaften zu sprechen. Neben anderen Gesichtspunkten konnten wir unsere Ideen und Wünsche für die zukünftige Förderung von ähnlichen Projekten nennen und ihre Umsetzbarkeit diskutieren. Kommunikationsstrategien waren hier ein wichtiges Thema (Abb. 5), weitere Gruppen befassten sich mit den Wünschen an die Politik und die Mittelgeber, um einen produktiven Rahmen für derartige Projekte zu schaffen. Ein drittes Hauptthema war die Selbstevaluation und wie Projekte davon profitieren können.
Für die gemeinsame Außendarstellung der Projekte durch das BMBF war ein professionelles Team engagiert, das von jeweils einem/ einer Projektvertreter*in einige Live-Statements auf Video eingefangen hat und so der Öffentlichkeit die Vielfalt dieser Projekte und ihre Inhalte näher bringen möchte (Abb. 4). Das haben für einen Teil der Forschungsvorhaben, so auch für Pflanze KlimaKultur!, Vertreter*innen der Bürger*innen übernommen, die von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten konnten. Für einige Vorhaben kamen aber auch Projektleiter*innen, wie Aletta Bonn für das Flow-Projekt, zu Wort. Sobald das Ergebnis online ist, werden wir es hier mit Ihnen teilen.
Abb. 3: Zusammenfassung der Zwischenergebnisse in den Teilgruppen. |
Abb. 4: Bereit für den Videodreh vor der Green-Screen. |
Johannes Vocks teilt mit uns seine Reflexion des Workshops und gibt dabei detailliertere Einblicke in die Inhalte und hebt konkrete Handlungsempfehlungen, die auch für unser eigenes Projekt wünschenswert wären, hervor. Vielen Dank dafür:
- Die Zusammenkunft der unterschiedlichen Projekte und der, wenn auch kurze fachliche Austausch über das jeweilige Projekt, war stabilisierendes Element.
- Die Aufbereitung der Basisdaten aus früheren Projekten gaben Aufschluss über die Zusammensetzung der Bürgerwissenschaftler hinsichtlich Bildung, Lebensalter, berufliche Erfahrung. Signifikant waren Bürger mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss mehrheitlich beteiligt. Näheres wird evtl. zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt.
- Die Arbeit in Kleingruppen verlief wie üblich in Workshops und wurde im Plenum diskutiert.
- Die Bedeutung der Bürgerwissenschaft im Wissenschaftsbetrieb wurde unterschiedlich bewertet, da personalintensiv, wenig karrierefördernd im bestehenden Unibetrieb.
- Bedeutung der Bürgerwissenschaft aus meiner Sicht:
- Gut gemanagt, so wie bei Pflanze KlimaKultur!, ist Bürgerwissenschaft für beide Seiten eine win win Situation. Die Wissenschaft erhält Input durch eine große Datenmenge. Die Bürger werden mit wissenschaftlicher Arbeit vertraut gemacht. Ganz wichtig ist eine gute Betreuung, Anerkennung der oft mühseligen Kleinarbeit der wöchentlichen Dokumentationen. Entscheidend war der Blick hinter die Kulissen des Botanischen Gartens.
- Die beteiligten Bürger wachsen in eine Multiplikatorenrolle. Wie in unserer Umgebung war sowohl eine Verbreitung innerhalb der Ortsgruppe des NABU als auch auf Landesebene möglich, weiterhin nachbarliche und familiäre Kontakte. In einem Fall war es auch Pressebericht im Ortsblatt, der einen weiteren Leserkreis informativ erreichte. Selbstkritisch muss angemerkt werden, dass die Reichweite begrenzt war.
- Fazit für die weitere Arbeit
- Die gewonnenen Erkenntnisse aus der zweijährigen Projektarbeit müssen innerhalb des Verbandes auf die politischen Ebenen gehoben werden, sei es im Ort, im Kreis als auch im Land. Die Motivation der Entscheidungsträger ist derart zu fördern, das trockenresistente Pflanzen Eingang in die Bepflanzung des Stadtgrüns finden. Aus phänologischer Sicht schreitet der Klimawandel fort, die Städte werden sich weiter aufheizen. Eine Kühlung der Freiflächen mit ausgesuchten Pflanzen, wie im Projekt dargestellt, ist dringend zu empfehlen.
- Die Bürgerbeteiligung ist gelebte Demokratie. Demokratie braucht Orte des Zusammenseins. Als Folge sind regelmäßiger Austausch in Form von Videokonferenzen, aber besonders persönliche Begegnungen von Bedeutung. Wie erlebt, wirkten die Treffen an den Beeten, aber auch die zentralen Veranstaltungen im Botanischen Garten stabilisierend. Die wissenschaftliche Begleitung war in diesen Begegnungen inkludiert. Bürgerbeteiligung sollte einer quantitativen Methodik zugeordnet werden. Selbst wenn die Hürden dafür recht hoch erscheinen, stellt die Bürgerwissenschaft einen Wert für sich da und ist für Verständnis und Weiterentwicklung der Demokratie unerläßlich. Dafür war der Aufbau und die Durchführung des Projektes Pflanze KlimaKultur! beispielhaft.
© Gruppenfoto: BMBF/ Hans-Joachim Rickel
Im Rahmen unserer durch die studentischen Mitarbeiter*innen gestalteten Beitragsreihe stellt Ihnen Tim Kortekamp heute ein Projekt vor, das sich dem Schutz gefährdeter Wildpflanzen Deutschlands und dem Erhalt der pflanzlichen Biodiversität verschrieben hat. Dazu traf er sich mit Elke Zippel zu einem Interview. Dr. Elke Zippel ist Kustodin der Saatgutsammlungen im Botanischen Garten und koordiniert die Berliner Aktivitäten des Projektes Wildpflanzenschutz Deutschland (WIPs-De II). Hier befasst sie sich zusammen mit Kolleg*innen der Universitäten Osnabrück, Potsdam, Regensburg und Mainz unter anderem mit der Erhaltung der genetischen Vielfalt und Wiederansiedlungsmaßnahmen. Einen Link zum Film Die grüne Arche: Wildpflanzenschutz in Deutschland finden Sie am Ende des Interviews.
Guten Tag Fr. Dr. Zippel!
Ich möchte Ihnen heute einige Fragen zu Ihrem Projekt Wildpflanzenschutz Deutschland (WIPs-De II) stellen, um dieses Projekt unseren Teilnehmer*innen von Pflanze KlimaKultur! vorzustellen. Kurz zusammengefasst, wer sind Sie, und was machen Sie am Botanischen Garten?
Ich bin Kustodin, also wissenschaftliche Leiterin an der Dahlemer Saatgutbank (DSB) am Botanischen Garten Berlin. Dabei bin ich verantwortlich für die Sammlung, Lagerung, Dokumentation und Weitergabe von Wildpflanzensamen mit einem Team von aktuell zweieinhalb Mitarbeitern. Weiterhin koordiniere ich die Arbeiten der DSB für einen deutschlandweiten Verbund von fünf botanischen Gärten, die sich mit dem botanischen Artenschutz beschäftigen. Zusammen mit unseren Partnern sind wir Teil des Verbundprojekts „Wildpflanzenschutz Deutschland“ (WIPs-De II). Der Botanische Garten Berlin ist zuständig für den Bereich Ostdeutschland (Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen).
Worum geht es beim Projekt Wildpflanzenschutz Deutschland und was ist das Ziel?
Ziel ist es, den Rückgang der pflanzlichen Biodiversität aufzuhalten und unsere Vielfalt zu schützen. Immer mehr Pflanzenarten sind, wie die Roten Listen der bedrohten Arten belegen, selten und gefährdet. Wir müssen durch unsere Unterstützung den Arten ermöglichen, in der Evolution unter sich stets wechselnden Umweltbedingungen fortzubestehen.
Wir botanischen Gärten können dazu beitragen. Unsere Tätigkeiten reichen dabei vom Sammeln und Einlagern von Samen, dem Aufbau und der Pflege von Erhaltungs- und Vermehrungskulturen, von Ansiedlungen und Populationsstützungen am Wildstandort bis hin zur Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, z.B. mit Kurstagen für Schulklassen, Führungen durch den Botanischen Garten zum Thema für alle Altersgruppen und Kurse in der Erwachsenenbildung.
Um welche Arten kümmert sich das Projekt genau?
Unsere Zielarten sind Arten, die in Mitteleuropa ihren Verbreitungsschwerpunkt haben, das heißt, sie kommen nur hier und sonst nirgendwo auf der Welt vor. Es gibt auch einige Arten, die nur in Deutschland vorkommen. Deutschland hat als flächenmäßig großes Land daher eine hohe Verantwortung für den Schutz und das Fortbestehen dieser Arten. Schwerpunktmäßig beschäftigen uns im Projekt die seltenen und gefährdeten Arten dieser sogenannten „Verantwortungsarten“.
Einen Überblick über die Verantwortungsarten finden Sie hier: https://www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de/verantwortungsarten/
Wieso sind Arten eigentlich gefährdet?
Das ist ein hochkomplexes Thema. Zuallererst: wir lassen unseren heimischen Wildpflanzen und Wildtieren heute einfach keinen Lebensraum mehr. In unserer „Agrarwüste“ haben keine Wildpflanzen mehr Platz: die Felder werden intensiv über den letzten Quadratzentimeter hinaus bis an den Rand der Straßen intensiv bearbeitet, alles Leben außer der gewünschten Kulturpflanze, ob Wildpflanze oder Insekt, wird totgespritzt. Der viele Dünger, v.a. Stickstoff, überdüngt Wiesen und Weiden, so dass nur noch konkurrenzstarke Gräser dominieren und Kräuter und Stauden verdrängen. Häufig werden Wiesen auch komplett umgebrochen und neu eingesät. Auf der anderen Seite werden traditionelle Landnutzungsformen wie z.B. die Schafhaltung, die für den Schutz unserer blüten- und insektenreichen mageren Wiesen unentbehrlich sind, aufgegeben. Einst artenreiche Flächen verbuschen, wobei der Stickstoffeintrag aus umliegenden Flächen und aus der Luft das noch beschleunigt.
Daneben gibt es natürlich weitere Faktoren, die für das Aussterben von Arten verantwortlich sind. Feuchtwiesen und Niedermoore werden entwässert, um Flächen für die Landwirtschaft einfacher nutzbarer zu machen und Keller trockenzuhalten. Magere Flächen, die wenig landwirtschaftlichen Ertrag bringen, dienen als Fläche für Biogasanlagen, Solarparks und Industrie- und Logistikcenter. Wälder werden intensiv durchforstet, Straßenböschungen werden ständig golfrasenartig gemäht. Der ständig für das Artensterben zitierte Klimawandel spielt hier in der Region für Wildpflanzen – bei Insekten ist das anders – noch eine völlig untergeordnete Rolle.
Gibt es Arten, welche im Berliner Umland/Brandenburg bzw. in Ostdeutschland besonders gefährdet sind?
Da gibt es einige Arten, z.B.: die Arnika (Arnica montana), den Sumpf-Kranzenzian (Gentianella uliginosa), Ruthes Fingerwurz (Dactylorhiza ruthei), sowie das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis). Diese einst hier sehr häufige und weit verbreitete Orchideenart, ist heute sehr selten und besitzt nur noch an wenigen Standorten individuenreiche Vorkommen.
Arnika (Arnica montana) |
Ruthes Fingerwurz (Dactylorhiza ruthei) |
Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) |
Wie erhalten Sie Informationen darüber, welche Arten überhaupt gefährdet sind und wo sie noch vorkommen?
Auskunft über die Gefährdung geben die Roten Listen. Von Behörden bekommen wir Fundortdaten, die allerdings häufig nicht mehr aktuell sind, sowie über Gespräche mit Fachkollegen und natürlich die eigene Feldarbeit.
Wie sehen Ihre Arbeitsschritte für eine Ansiedlungsmaßnahme aus?
Generell lassen sich verschiedene Teilmaßnahmen unterscheiden: die Sammlung von Saatgut (Samen), Erhaltungs- und Vermehrungskulturen, sowie Ansiedlungen an geeigneten Standorten in unserer Landschaft (Wiederansiedlung oder Populationsstärkung).
- Sammlung: Sie waren gerade „im Feld“ und haben Saatgut gesammelt. Wie und was sammeln Sie?
Am Wildstandort sammeln wir die Früchte bzw. Samen unserer Zielarten. Wir sammeln nach den Richtlinien des Konsortiums Europäischer Wildpflanzen-Saatgutbanken ENSCO-NET. Wir achten darauf, die Wildpflanzenpopulation nicht zu beschädigen und sind stets mit den nötigen naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen unterwegs. Die brauchen wir, wenn wir Samen geschützter Pflanzenarten sammeln oder in Naturschutzgebieten unterwegs sind.
Bei der Rückkehr an den botanischen Garten oder in die Saatgutbank geht es an die fachkundliche Aufarbeitung. Das Saatgut wird gereinigt, von anhaftenden Pflanzenresten befreit und dann getrocknet. Die Trocknung ist der wichtigste Schritt. Durch ihn wird die Stoffwechselaktivität im Samen reduziert und so seine Lebensdauer verlängert. Die meisten Samen werden eingefroren und können so für längere Zeit gelagert werden. Regelmäßig werden Versuche durchgeführt, um die Keimfähigkeit der so eingelagerten Samen zu überprüfen.
Bei der letzten Sammelreise nach Mecklenburg-Vorpommern habe ich unter anderem Samen des Sumpf-Kranzenzians (Gentianella uliginosa) gesammelt. Er blüht ab dem Spätsommer und bei milder Witterung bis in den November hinein.
Samen und Kapsel vom Sumpf-Kranzenzian (Foto: Marion Cubr) |
Lagerung von Samen in der Saatgutbank |
- Erhaltung: Wie gehen Sie sicher, dass kein schleichender Verlust genetischer Vielfalt oder Einkreuzungen geschehen? Inzuchtdepression? Wird regelmäßig erneuert?
Vermehrungskulturen werden in der Regel angelegt, um Saatgut zu gewinnen, wenn nur wenig Samen gesammelt werden können wie bei extrem seltenen Arten wie dem Zierlichen Wollgras (Eriophorum gracile) oder dem Sumpf-Kranzenzian (Gentianella uliginosa).
Für manche Arten halten wir Mutterpflanzen in einer Dauerkultur.
Aussaat des Enzians durch Mitarbeiter*innen des Projekts |
- Ansiedlung: Wie läuft eine Ansiedlung von Wildpflanzen ab?
Unsere (Wieder-)Ansiedlungen haben zum Ziel, die Vorkommen der Verantwortungsarten am natürlichen Wuchsort zu stärken und zu schützen. Entweder pflanzen wir in zu klein gewordenen Beständen nach, um die Population wieder in einen vitalen Zustand zu versetzen, oder wir begründen neue Pflanzenpopulationen.
Bei sehr seltenen Arten wie Arnika und Sumpf-Kranzenzian ist es schwierig, geeignete Standorte zu finden. Die meisten ehemaligen Wiesen, auf denen früher die Arten zu finden waren, sind heute durch Überdüngung und Entwässerung nicht mehr als Wuchsort geeignet.
WIPS-De II ist ein Verbundprojekt zusammen mit vier anderen botanischen Gärten, was genau sind die Aufgaben des BG Berlin?
Generell beteiligen sich alle Gärten an allen Aufgaben. Die anderen Projektpartner befinden sich in Osnabrück, Potsdam, Mainz und Regensburg. Hier am Botanischen Garten Berlin koordinieren wir die Ansiedlungsmaßnahmen.
Gibt es darüber hinaus weitere Zusammenarbeit mit anderen/regionalen Akteuren?
Jede Menge, ohne Kollegen in Naturschutzbehörden, Planungsbüros und den ehrenamtlichen Gebietsbetreuern würde das gar nicht gehen. Inzwischen bin ich sehr gut in der Community vernetzt. Das ist eine enorme Unterstützung. Durch persönliche Begegnungen, Austausch und intensive Zusammenarbeit sind so auch schon einige gute Freundschaften entstanden. Wir können irgendwo immer voneinander lernen.
Es handelt sich bei WIPs-De II ja um ein deutsches Projekt, kennen Sie vergleichbare Projekte in anderen Ländern? Konnten/können Sie davon profitieren oder können andere Länder von Erfahrungen von WIPs-De profitieren?
Es gibt da einige EU-Projekte: zu erwähnen sind ENSCONET (jetzt Konsortium europäischer Wildpflanzensaatgutbanken) – ein Zusammenschluss 24 botanischer Gärten zur Erhaltung wilder Arten und die COST-Action “Conserve Plants”, in dem Wissenschaftler aus ganz Europa beim Schutz gefährdeter Pflanzenarten zusammenarbeiten. Die Vereinigten Staaten und Australien sind dabei sehr stark auf dem Gebiet. Auf europäischen und internationalen Konferenzen und Meetings gibt es zahlreiche Gelegenheiten, sich mit anderen Wissenschaftlern auszutauschen.
Wie geht es weiter mit dem Projekt? Und was ist das Besondere am aktuellen Projekt?
Unser Verbund wird seit 2013 durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) finanziert. Solch eine lange Projektlaufzeit wird selten genehmigt. Derzeit arbeiten wir daran, eine Dauerfinanzierung für diese enorm wichtigen Arbeiten zu erreichen, denn die Bedeutung des botanischen Artenschutzes – Pflanzen sind als Primärproduzenten, Nahrungsgrundlage und Gestalter von Lebensräumen eine zentrale Basis für die Artenvielfalt – gewinnt in Naturschutzkreisen immer mehr an Bedeutung. Viele Insektenarten sind von bestimmten Pflanzenarten abhängig. Dabei reicht es nicht, dass eine Pflanzenart irgendwo vorkommt, auch das Makro- und Mikroklima des Standortes müssen stimmen, damit das Insekt seinen Lebenszyklus vollenden und sich weiter vermehren kann.
Das hört sich an, als würden vor allem Profis aus den botanischen Gärten und den Saatgutbanken beteiligt sein. Für uns als Citizen-Science Projekt wäre es da interessant zu wissen, ob interessierte Bürgerinnen und Bürger auch mithelfen können bzw. sich beteiligen können?
In unserem Projekt mithelfen können Bürger nicht konkret. Das Durchführen unserer Arbeitsschritte erfordert enorm viel Fachkenntnis; vom Aufsuchen der Fundorte der Pflanzen und das Sammeln über das Kultivieren und Vermehren bis hin zum Ansiedeln.
Wer jedoch etwas für den botanischen Artenschutz (hier in der Region und weltweit) tun will, der lernt unsere heimischen und gefährdeten Pflanzen kennen und sorgt mit seinem Lebensstil dafür, dass unsere Land- und Forstwirtschaft wieder biodiversitätsfreundlicher wird. Denn, nur was du kennst und wertschätzt, kannst du auch schützen!
Wir bieten im nächsten Jahr auch wieder Führungen zum Thema für Erwachsene und Schulklassen. Die Termine werden auf der Webseite des Botanischen Gartens Berlin veröffentlicht.
Unter folgendem Link finden Sie den Film „Die grüne Arche – Wildpflanzenschutz in Deutschland“, in welchem das Projekt ebenfalls vorgestellt wird: https://www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de/wips-film/
Danke für Ihre Zeit und das interessante Gespräch!
Text: Tim Kortekamp, Elke Zippel
Fotos (falls nicht anders angegeben): Elke Zippel
Weitere Links
https://www.bgbm.org/de/dahlemer-saatgutbank/wildpflanzenschutz-deutschland-wips-de
https://www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de/blog/
https://www.deutschlands-natur.de/lebensraeume/grasland/naturnahe-kalk-trockenrasen-und-deren-verbuschungsstadien-festuco-brometalia/
ENSCONET: http://www.ensconetconsortium.eu/main.htm
Cost-Action Conserve Plants: https://www.conserveplants.eu/en/
Steckbrief Enzian:
Zippel, E., Lauterbach D., Weißbach S., Burkart M. (2015): Steckbrief Gentianella uliginosa; erstellt am 19.12.2017.– Netzwerk zum Schutz gefährdeter Wildpflanzen in besonderer Verantwortung Deutschlands (WIPs-De). www.wildpflanzenschutz.de
https://www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de/wp-content/uploads/2019/03/Gentianella-uliginosa_Steckbrief-Saatgutsammlung.pdf